Inklusiver Handball

Alle dabei, alle glücklich!

Ein diverses Team

Ein Artikel über unsere „inklusive Handballgruppe“ ist also meine Aufgabe. Schön.
Bei Pfeffersport habe ich ja schon meine im Schulsport erworbenen Vorurteile gegenüber Sport mehr als abgebaut:
Die Tätigkeit als Übungsleiterin für Kindersport liebe ich ebenso wie die Sportkultur des Vereins.
Aber Handball als Mannschaftssport löst Respekt in mir aus, oder – ehrlich gesagt – Unbehagen…
Mit dem Ziel, unvoreingenommen zu beobachten und zu berichten, komme ich Dienstagabend in die Sporthalle am Prenzlauer Berg.
Hier versammeln sich die Trainerinnen Corinna und Marie, der Sektionsleiter Cyril sowie 20 Menschen im Alter von 15 bis 50 Jahren mit und ohne geistige Beeinträchtigung.

Mitmachen statt zuschauen

Statt am Rand zu sitzen, werde ich freundlich von der Gruppe zum Mitmachen aufgefordert.
Die fröhliche Stimmung animiert. Wir stellen uns vor, wärmen uns auf und machen kleine Übungen mit dem Ball.
Alle sind aktiv dabei. Keiner ist über- oder unterfordert. Auch ich nicht.
Und nach 15 Minuten merke ich: „Wow, ich bin Teil eines tollen Teams und mitten in einem Handballtraining! Und ich habe Wahnsinnsfreude!“

"Und wie viel Spaß er hat!"

Als eine Mama in die Halle kommt, wird mein Informationsdrang angeregt. Ich reiße mich los, um zu erfahren, was sie über das Angebot denkt.
So verpasse ich zwar das gemeinsame Endspiel. Aber wir nehmen uns im Gespräch den Raum, um zu beobachten und anzufeuern. Denn was wir sehen, ist ein engagiertes, echt spannendes Spiel.

„Wir kommen aus Reinickendorf“, erzählt mir Serpil, Ensars Mama. „Die eine Stunde Anfahrt ist kein Problem, denn Ensar will immer dabei sein. Normalerweise schaue ich nicht zu. Aber wir sehen, wie sich Ensar sportlich entwickelt. Anfangs konnte er kaum einen Ball fangen. Nun spielt er als Torwart und im Feld mit. Wie viel Spaß er hat!
Mein Sohn ist 19 Jahre alt. Er hat eine Beeinträchtigung und macht gerade seine Ausbildung. Früher mochte er sich nicht viel bewegen. Wir haben sehr lange einen Sport für ihn gesucht. Fußball, Taekwondo, Schwimmen…
Hier gibt es ein Team, das einfach passt: Die Trainerinnen sind freundlich und fordern die Teilnehmenden.
Alle sind nett. Alle haben Freude. Alle sind glücklich. Respekt!“

Inklusion: mehr als nur Sport für Menschen mit Beeinträchtigung 

Am Ende des Spiels ergänzt Trainerin Corinna:
„Inklusion wird meist als Sport für Menschen mit Behinderung wahrgenommen. Oft wird ein Ball in die Halle geworfen und die Teilnehmenden sollen sich damit beschäftigen.
Dabei ist Inklusion so viel mehr: Sie bindet alle ein. Und: Wir beschäftigen hier nicht, wir trainieren und wir spielen Handball.“





Interview mit der Initiatorin:

Am nächsten Tag kontaktiere ich Axinja Heydolph. Die Mitarbeiterin an einer Berliner Hochschule im Bereich Biotechnologie und Mutter von drei Söhnen hat die inklusive Handballgruppe ins Leben gerufen.

Liebe Axinja, wie kam es zu Deinem Impuls, eine inklusive Handballgruppe zu gründen?

Für meinen Sohn Nik, der eine geistige Beeinträchtigung hat, habe ich ein inklusives Handballteam gesucht und erst mal nichts gefunden. Schade eigentlich. In ganz Berlin gab es kein einziges Angebot in dem Bereich. Bei meiner Recherche bin ich auf die Liga Freiwurf aus Hamburg gestoßen. Ich dachte mir, dass Berlin so was ganz dringend braucht.

Also habe ich mich an den HVB und den LSB gewandt, um den Kontakt zu den Hamburgern herzustellen. Über den LSB ist der Kontakt zu Pfeffersport, konkret zu dem Abteilungsleiter Handball Cyril, entstanden. Cyril redete nicht lange, sondern er handelte. Auf dieses Weise haben wir es - natürlich mit der vorhandenen Infrastruktur des Vereins - geschafft, innerhalb von einem guten halben Jahr, die erste inklusive Handballmannschaft Berlins zu gründen, die nun seit Mai 2022 einmal pro Woche trainiert.

 

Auf welche Hürden bist Du gestoßen?

Die größte Hürde in dem ganzen Prozess war, die richtige Ansprechperson zu finden und Interesse für das Thema zu wecken. Wenn man einzelne Vereine anspricht, bekommt man meist gar nicht erst eine Antwort. Der inklusive Gedanke ist im Berliner Handball einfach noch nicht angekommen, was wirklich schade ist.

 

Was ist aus Deiner Sicht das Besondere an der Gruppe?

An unserer Mannschaft sieht man, dass Bedarf an dem Angebot da ist. Wir haben ständigen Zuwachs. Wir sehen, wie viel Spaß die Mannschaft gemeinsam hat und wie die einzelnen Spieler*innen mit jedem Training Fortschritte machen.

Bei uns kann jeder mitmachen, sich einbringen, Handball spielen und Spaß haben. Jeder wird wertgeschätzt. Niemand steht unter Druck und muss Angst haben, „zu schlecht“ zu sein. Die Mannschaft ist eine Bereicherung für alle, egal ob mit oder ohne Beeinträchtigung. Ich freue mich jedes Mal, wenn Nik zum Training geht und ganz erfüllt wieder nach Hause kommt.

Welche künftigen Ideen hast Du für den inklusiven Handball?

Mit unserem Beispiel möchten wir andere Vereine ermutigen, inklusive Mannschaften aufzubauen. Denn unsere Vision ist eine inklusive Handballliga in Berlin nach dem Vorbild der Liga Freiwurf.
Ich hoffe, dass durch die Special Olympics World Games, die in diesem Jahr in Berlin stattfinden, das Thema Inklusion im Berliner Handball nachhaltig und nicht nur für den Moment sichtbarer wird und mehr Aufmerksamkeit bekommt.
Für die Mannschaften wünsche ich mir, dass auch viele Menschen ohne Beeinträchtigung Lust haben, in inklusiven Teams zu trainieren und dadurch Barrieren, die es nach wie vor in den Köpfen vieler Menschen gibt, abgebaut werden.

Wer Interesse hat, zum inklusiven Handball-Training, kann sich bei Axinja melden:
Opens window for sending emailheydolph(at)pfeffersport(dot)de.
(Text: Margarete Goj, März 2023)

 

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